Darum nennen wir es: Neokolonialismus!

Wenn dir all dein Geld geklaut wurde, macht es dann Sinn deine Armut zu erwähnen ohne gleichzeitig zu erwähnen das du ausgeraubt wurdest? Eher nicht! Genauso wenig macht die ständige Fokussierung der westlichen Medien auf Krisen und Probleme in Afrika Sinn in denen keine Beschreibung der neokolonialen Ausbeutung stattfindet! Diese Tatsache lässt sich einfach erklären: Die gleichen Interessengruppen, welche die Ausbeutung betreiben, betreiben auch die Mediengesellschaften und haben kein Interesse daran über ihre Machenschaften zu informieren. Bruder Malcolm X sagte hierzu treffend: „Die Medien sind die mächtigste Einrichtung auf der Welt. Sie haben die Macht um die Unschuldigen schuldig zu machen und die Schuldigen unschuldig, das ist Macht. Denn sie kontrollieren die Meinung der Massen.“

Was für Afrika gilt ist auch für alle anderen neokolonial unterdrückten Regionen relevant.

 

Der Neokolonialismus ist ein System, welches auf dem Fundament des Kolonialismus aufbaut. Europa hat eine über 500 Jahre alte Tradition sich plündernd über die Welt auszubreiten. Diese Tradition endete nicht plötzlich mit dem erreichen der formalen Unabhängigkeit. Stattdessen wurde die alte durch eine neue Form rassistischer Herrschaft ersetzt. Das Merkmal des Neokolonialismus ist es, dass der betroffene Staat äußerlich alle Merkmale eines unabhängigen Staates aufweist, in der Realität jedoch die politische Unabhängigkeit durch wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit untergraben wird. Die Basis des Neokolonialismus ist die unausgewogene Machtbeziehung zu Gunsten der ehemaligen Kolonialmächte, welche bis heute weiterbesteht.


Wir sehen heute, dass nirgendwo der materielle Reichtum so verbreitet ist wie im Westen, nirgendwo ist die relative Sicherheit so hoch wie im Westen. Doch dieser Wohlstand, welcher andernorts fehlt, ist kein Beweis für eine überlegene Kultur. Vielmehr ist es der Beweis für den Diebstahl, den Raub und die Plünderung welche seit fünf Jahrhunderten statt findet. Diese Verbrechen, welche von Rosa Amelia Plumelle-Uribe passend als 'Weisse Barbarei' beschrieben werden, wurden nie entschädigt, sie werden nicht in den Schulen oder Universitäten gelehrt und schlimmer als das noch sie wurden nie beendet. Der Neokolonialismus ist die Weiterführung dieser Verbrechen.

 

Koloniales Erbe

Als der Kolonialismus formal beendet wurde änderte sich nicht auf einmal alles, viele Verbindungen blieben bestehen, dies wird koloniales Erbe genannt. Das koloniale Erbe erstreckt sich über alle Aspekte des Lebens: wirtschaftlich, militärisch, politisch, kulturell und psychologisch. Während des Kolonialismus wurde eine Wirtschaft errichtet, welche darauf ausgelegt war den Ressourcenhunger der Kolonialmächte zu stillen. Deswegen wurden in den Kolonien z.B. alle Bahnlinien von den Ressourcenquellen zu den Häfen gebaut, wo Schiffe nach Europa verkehrten. Auch die Telefonverbindungen verliefen nicht zwischen den unterschiedlichen afrikanischen Ländern, sondern von den Kolonien zu den Kolonialmächten. Es wurden Landwirtschaften mit großen Monokulturen geschaffen, welche nicht die Bedürfnisse des Landes sondern die der Kolonialmacht berücksichtigten, z.B. Kakao in Ghana, Erdnüsse in Senegal, Kautschuk im Kongo, Sisal in Tansania etc. Die Infrastruktur, welche der Kolonialismus vererbte, war also eine Infrastruktur der Abhängigkeit. Das selbe lässt sich über die anderen Aspekte des Kolonialismus sagen. Die Kultur, welche der Kolonialismus vererbte, war eine Kultur der Abhängigkeit. Die wenigen Schulen welche gebaut wurden lobten die Errungenschaften der Europäer und vermittelten ein rassistisches Weltbild. Es wurden europäische Kolonialsprachen eingeführt und es wurde eine europäische Version der christlichen Religion gepriesen. Jomo Kenyatta sagte dazu: „Als die Missionare ankamen, hatten die Afrikaner das Land und die Missionare hatten die Bibel. Sie brachten uns bei mit geschlossenen Augen zu beten. Als wir die Augen öffneten hatten sie das Land und wir hatten die Bibel.“

 

Zu dem kolonialen Erbe gehören auch die Abermillionen von Toten, welche der Brutalität, mit der das koloniale System aufgezwungen wurde, zum opfer gefallen sind. Ebenso gehört zu dem kolonialen Erbe der enorme Reichtum, welcher die Kolonien verließ und sich nun in Europa befindet. Es war dieser Reichtum, welcher den Wachstum der europäischen Wirtschaften finanzierte und bis heute weiter finanziert. Nicht zu vergessen ist auch der Rassismus, als „Ideologie“ zur Rechtfertigung von Unterdrückung, ein Produkt des Kolonialismus, welches bis heute weiterlebt.

 

Übergang in die neokoloniale "Unabhängigkeit"

In den 1950er und 60er Jahren gewannen die meisten der afrikanischen Länder ihre Unabhängigkeit. Dies hing zusammen, mit der geschwächten Lage, mit welcher die europäischen Kolonialmächte aus dem 2. Weltkrieg hinausgingen. Außerdem hing es mit dem zunehmenden Widerstand in den kolonial besetzten Gebieten zusammen, dieser Widerstand machte den Kolonialismus zunehmend unprofitabel. Der Kolonialismus wurde dann also aus wirtschaftlichen und politischen Gründen beendet und nicht auf Grund eines plötzlichen moralischen Bewusstseinswandels der Kolonialisten. So kam es, dass die Kolonialmächte durchaus auch gar nicht vorhatten ihren Einfluss aufzugeben. Stattdessen setzten sie sich für eine Einbettung der ehemaligen Kolonien in das globale kapitalistische System ein. Mit der gleichen wirtschaftlichen Rollenverteilung wie vorher, in der die kolonisierte Region als Lieferant für Ressourcen und billige Arbeitskraft ausgenutzt wird. Nach erreichen der formalen Unabhängigkeit sind diese kapitalistischen Akteure nicht mehr nur die europäischen Staaten. Denn Europa war durch den 2. Weltkrieg geschwächt, so konnte die als europäische Kolonie entstandene USA eine führende Rolle als Neokolonialist einnehmen. Hinzu kommt, dass lokale Eliten in den neokolonial unterdrückten Regionen eine größere Rolle spielen als im bisherigen Kolonialismus.

 

Als Instrumente der Neokolonialisten dienen im wirtschaftlichen Bereich die sogenannten internationalen Institutionen wie Weltbank, Internationaler Währungsfond (IWF) und Welthandelsorganisation (WTO). Diese Institutionen werden „international“ genannt, sie sind jedoch in Wirklichkeit so organisiert, dass sie die Interessen des Westens vertreten. Sie haben alle gemeinsam, dass sie den Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas eine neoliberale Wirtschaftspolitik aufzwängen, welche zu wirtschaftlicher Ausbeutung führt. Dies heißt konkret eine Politik des unregulierten Marktes, Einsparungen im Staatshaushalt und Privatisierung in allen Bereichen einschließlich des Gesundheitswesens, der Bildung und der Wasserversorgung. Für die Bevölkerung in den betroffenen Regionen bedeutet dies extrem verschlechterte Lebensbedingungen, nur für einige multinationale Unternehmen bedeutet es enorme Profite.


Diese neue Form der wirtschaftlichen Ausbeutung ist nicht heimlich eingeführt worden. Viele herausragende Versuche wurden unternommen den Neokolonialismus zu bekämpfen. Thomas Sankara beispielsweise hatte sich als Ziel gesetzt nicht den multinationalen Konzernen zu dienen sondern den Interessen der Bevölkerung. In seiner Amtszeit von nur 4 Jahren befreite Burkina Faso sich komplett von Import Abhängigkeit. Dann jedoch bekam er die militärische Übermacht der Neokolonialisten zu spüren, als diese ihren Handlanger Blaise Compaoré unterstützten um am 15. Oktober 1987 Thomas Sankara ermorden zu lassen. Ein anderes tragisches Ereignis ereignete sich am 17. Januar 1961 als die Neokolonialisten einen der größten afrikanischen Hoffnungsträger, Patrice Lumumba, im Kongo ermorden ließen. Zahllose weitere Beispiele lassen sich finden, bei denen westliche Interventionen, die populären und am Wohl der Bevölkerung orientierten Entwicklungen sabotierten. Zur gleichen Zeit werden diejenigen Kräfte durch den Westen unterstützt, welche sich nicht für echte wirtschaftliche Unabhängigkeit einsetzten und mit den Neokolonialisten zusammenarbeiten um sich selbst zu bereichern. Diese neokolonialen Herrscher haben ihre Macht nicht von ihrer Bevölkerung bekommen und fühlen sich ihr auch nicht verpflichtet. Heute haben diese neokolonialen Marionetten in Afrika leider eine Monopol Stellung eingenommen. Doch es gibt auch entgegengesetzte Entwicklungen, so wie beispielsweise die Vertreibung Blaise Compaorés aus seinem Präsidentenpalast durch seine eigene Bevölkerung.

 

Die Antwort auf den Neokolonialismus war und ist Panafrikanismus und Internationalismus. Jedoch müssen wir uns die Frage stellen was genau schief gelaufen ist, dass es den Neokolonialisten möglich war unsere Führer zu ermorden und durch Marionetten zu ersetzen. Ich denke es hängt viel mit einem mangelndem breiten Bewusstsein für unsere Probleme&Lösungen zusammen. Sun Tsu sagte: "Kenne deinen Feind und kenne dich selbst, und in hundert Schlachten wirst du nie in Gefahr geraten." Der Panafrikanismus der Zukunft kann von nirgendwo sonst als von der Basis das heißt von der Masse der Bevölkerung kommen, welche sich selbst kennt und ihren Feind.



Literatur:
Kwame Nkrumah - Neo-Colonialism. The Last Stage Of Imperialism
Walter Rodney - How Europe Underdeveloped Africa
Rosa Amelia Plumelle-Uribe - Weiße Barbarei. Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der Nazis
Samir Amin - Neo-Colonialism in West Africa

Eric Williams - Capitalism and Slavery


Über die Neoliberale "Globalisierung":
http://www.jungewelt.de/2014/12-31/006.php
http://www.jungewelt.de/2015/01-02/014.php

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