May Ayim

Von: Junge Welt/Deniz Utlu


Vor 14 Jahren veröffentlichte May Ayim, eine junge Frau aus Hamburg, ihren ersten Lyrikband »blues in schwarz weiss«. Zwei Jahre später erschien postum der Band »nacht gesang« mit Gedichten aus ihrem Nachlaß. Ayim schrieb auch Essays und war politische Aktivistin.

Geboren am 3. Mai 1960 in Hamburg, hatte sie im Heim laufen gelernt, war bei Pflegeeltern in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen. Sie schrieb mit »schmerzendem deutsch / auf den lippen« über eine Kindheit in den 60er und 70er Jahren in Westdeutschland. Eine Kindheit, gezeichnet von Fremdheit, Unverständnis und Einsamkeit. Jeder Fehler, jedes Vergessen des Turnbeutels nach dem Sportunterricht, jede Trägheit bei den Hausaufgaben wurde mit Schlägen vergolten. Bald verließ Ayim ihre Pflegefamilie. Für immer.

Die ghanaisch-deutsche Autorin schrieb sich mit ihren Versen – ihrem Blues – in die Seelen vieler schwarzer Deutscher und anderer »People of Color«. Liebe hieß für sie »geben / ohne zu verlangen / nehmen / ohne zu besitzen / teilen / ohne warum / stark werden / für / die freiheit«.

In ihrem Gedicht »gegen leberwurstgrau – für eine bunte republik« beschreibt sie die Lächerlichkeit einer »Integrationsdebatte«, in der die Meinung der Betroffenen nicht zählt oder eben nur »bei besonderen anlässen / oder bei besonderen ereignissen / ganz bestimmt aber / kurz vor den nächsten wahlen«.

Bürger zu sein, heißt eben noch lange nicht, Bürgerrechte zu haben. Ayim rief zur Selbstermächtigung auf, akzeptierte keine Opferrolle: »Die ›lieben ausländischen mitbürgerInnen‹ / obwohl oder weil / noch immer ohne bürgerrechte / schmücken sich für ihre eigenen feste / und auch die schwarzen- / oder sonstwie bindestrich-deutschen / kommen nicht mehr weil sie eingeladen werden / sondern nur noch / wenn sie selber wollen / sie werden langsam frech / so ’n pech / ein glück!«

1985 war sie Mitbegründerin der Initiative Schwarze Deutsche (ISD). Ein Verein, der die Interessen von Afrodeutschen vertritt, auch indem er Geschichte aufarbeitet, die gerne totgeschwiegen wird; die Verfolgung von Schwarzen in Nazideutschland oder die deutsche Kolonialgeschichte, zu der die Berliner Konferenz 1884/85 gehört: Bismarck lud mit einem Lineal in der Hand und den Umrissen des afrikanischen Kontinents auf dem Tisch die Staatsoberhäupter Europas ein, den Kontinent zu zerstückeln. Namibia, Togo, Kamerun, Tansania, Ruanda und Burundi wurden deutsche Kolonien.

In ihrer Diplomarbeit verfolgte die angehende Erziehungswissenschaftlerin Ayim die Geschichte schwarzer Deutscher bis ins 12. Jahrhundert zurück. Sie erinnerte etwa an den Ghanaer A. W. Amo, der 1703 an der Universität Halle studierte und als Anhänger von Descartes und John Locke einer der bedeutendsten Vertreter der Wolffschen Philosophie wurde. Amos Werk »Das Recht der Mohren« wurde 1729 unter lateinischem Titel veröffentlicht und verschwand später auf unerklärliche Art und Weise.

Ayim erforschte in ihrer Arbeit auch die Gegenwart schwarzer Deutscher. Ihr Professor lehnte die Arbeit mit der Begründung ab, es gäbe in Deutschland keinen Rassismus.

Ist Sprechen nur möglich, wenn es Zuhörer gibt? Der Professor wollte nicht zuhören. Doch May Ayim sprach unbeeindruckt weiter: »ich trage meinen traum / hinter / erhobener faust / in pfefferfarben / und fange ganz klein an / fange endlich an / mit meiner schwester / und meiner freundin an der hand mit / meinen brüdern und / wenn es sein soll / auch allein / – damit es endlich anders werden / muß!«

... Voller Text Hier:http://www.afrikanet.info/menu/lnews/datum/2009/08/18/zum-13-todestag-der-afrodeutschen-autorin-und-aktivistin-may-ayim/?type=98&cHash=2581d333c3

"Hoffnung im Herz – Mündliche Poesie" Ein Film über May Ayim  

grenzenlos und unverschämt. Ein gedicht gegen die deutsche sch-einheit

 

ich werde trotzdem

afrikanisch sein

auch wenn ihr

mich gerne

deutsch

haben wollt

und werde trotzdem

deutsch sein

auch wenn euch

meine schwärze

nicht passt

ich werde noch einen schritt weitergehen

bis an den äußersten rand

wo meine schwestern sind – wo meine brüder stehen

wo

unsere

FREIHEIT

beginnt

ich werde

noch einen schritt weitergehen und noch einen schritt

weiter

und wiederkehren

wann

ich will

wenn

ich will

grenzenlos und unverschämt

bleiben.

- May Ayim 1990

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